Die Technik der Bartgeierwebcam

Im Mai 2021 wurde die Firma Terra HD der Aufgabe betraut die Auswilderung der Bartgeier per Livestream zu begleiten. Bei Besichtigung des Standortes wurde sofort klar dass es sich hierbei um ein enorm komplexes Projekt handelt.

Die Komplexität sind in 3 Dingen begründet: Unwegsamkeit, Ausrichtung Nordost, keine breitbandige Internetverbindung aus dem Tal möglich.

Unwegsam:
Auf den Bildern ist es nicht zu erkennen, aber die Umgebung an der Felsnische ist durchwegs Absturzgelände mit großer Steinschlaggefahr. Vom Nationalpark Berchtesgaden wurden hierzu Fixseile errichtet um die Sicherheit zu gewährleisten.

Auch für den Materialtransport war ein wahrer Kraftakt unter widrigsten Bedingungen (Dauerregen beim Aufstieg / Dauerschneefall im oberen Bereich). Unter großartiger Zusammenarbeit zwischen dem LBV und der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden konnte der Materialtransport aber erstaunlicherweise an einem Tag durchgeführt werden. Kleines Beispiel: Eine Batterie wiegt 23 kg, für die Energieversorgung sind 2 Batterien notwendig.

Ausrichtung Nordost
Selbst im Juni befindet sich das Photovoltaik-Modul bereits ab spätestens Mittag im Schatten der dahinterliegenden und hochaufragenden Felswand des Knittelhorns. Dies streicht die „Energieausbeute“ gnadenlos zusammen. Die Auswahl sämtlicher Hardware muss sich deshalb diesem Thema unterordnen.

Internetverbindung
Im Prinzip das einzige Gebäude im Tal von dem sich eine WLAN-Richtfunkverbindung herstellen lässt ist die Nationalpark-Informationsstelle Klausbachhaus. Allerdings ist die Internetanbindung am Klausbachhaus nicht brauchbar für einen permanenten Livestream.

Aus oben genannten Gründen hat Terra HD das Konzept folgendermaßen ausgearbeitet:

Ein Hochleistungs-Photovoltaik-Modul erzeugt die Energie. Dieses Modul ist in der Lage auch bei bewölktem Himmel noch einigermaßen Energie zu liefern. Wie weiter oben erwähnt bleiben trotzdem nur wenige Stunden täglich um Energie zu erzeugen. Die Energie wird in zwei Batterien gespeichert. Als Solarladeregler wird ein MPTT-Regler verwendet, der aus der Ferne permanent über eine VPN-Verbindung erreichbar ist. Über diese Verbindung ist es möglich den Zustand der ganzen Anlage einzusehen und gezielt (oder nach Priorität) Geräte ein- oder auszuschalten.

An der Felsnische sind zwei stromsparende Kameras per Netzwerkkabel angebracht (PoE). Unter den Gegebenheiten musste sich Terra HD für ein Kameramodell ohne PTZ (Pan-Tilt-Zoom) entscheiden, da diese im Vergleich ein vielfaches an Energie benötigen die dieser Standort einfach nicht hergibt.

Eine Kamera dient als Hauptkamera mit Überblick über die gesamte Felsnische. Die zweite Kamera filmt etwas detailreicher und wird je nach Sonneneinstrahlung automatisch aktiviert oder deaktiviert.

Die Internetverbindung wird über LTE hergestellt. Zusätzlich wurde ein WLAN-Richtfunkstrecke zum Klausbachhaus eingerichtet. Dort befindet sich ein Netzwerkspeicher um den Livestream zu archivieren. Außerdem ermöglicht diese Richtfunkstrecke für Mitarbeiter den lokalen Zugriff auf die Kameras in voller Auflösung ohne „LTE-Flaschenhals“ vom Klausbachhaus aus.

Da die Kamera über LTE ans Internet angebunden ist, kann der „öffentlichen Stream“ leider nur in reduzierter Auflösung angeboten werden. Am Klausbachhaus befindet sich außerdem ein „Raspberry Pi“. Dieser holt den Kamera-Stream lokal ab und schickt ihn in reduzierter Auflösung über die Richtfunkstrecke zurück zur Felsnische und über das LTE-Modem ins Internet zu unseren Livestream-Server. Da es sich bei LTE um ein „Shared Medium“ handelt kann es gelegentlich zu Bildfehlern oder zu Aussetzern im öffentlichen Stream kommen.

Neuerungen 2022

Im Klausbachhaus steht nun entgegen dem ersten Projektjahr schnelles Internet zur Verfügung. Das bedeutet in der Felsnische muss kein LTE-Modem mehr betrieben werden. Dies ist bereits eine beträchtliche Energieeinsparung. Um beim Thema Energie noch mehr Sicherheit zu haben wurde im Juni 2022 ein zweites Photovoltaik-Modul montiert und mit dem schon bestehenden in Serie geschaltet. Wir erhoffen uns dadurch dass wir die zweite Kamera (Wasserstelle) an Tagen mit Sonnenschein permanent laufen lassen können.

Trotzdem haben die Akkus eine begrenzte Kapazität und auch mit dem zweiten PV-Modul ist es nicht ausgeschlossen dass es mal „eng“ werden kann. Es muss weiterhin bedacht werden dass die Sonne die Felsnische selbst zur Zeit des Sonnenhöchststandes nur bis etwa 12:00 Uhr erreicht. Die Hauptkamera (Felsnische) wurde an einem anderen Platz montiert und befindet sich nun nur zwei Meter entfernt von der zweiten Kamera (Wasserstelle) aber blickt nun die Felsnische hoch. Im ersten Jahr gab es aufgrund der Platzierung der Kamera einen ärgerlichen toten Winkel der nun nicht mehr existiert. Auch war die alte „Hauptkamera“ zu weit entfernt vom eigentlichen Geschehen.

Eine weitere Verbesserung gibt es auch bei der Qualität des „öffentlichen Livestrems“. Wurde der Livestream im letzten Jahr noch mit einer Auflösung unter 720p gezeigt, so haben wir in diesem Jahr das Ziel den Stream in Full-HD (1080p) zu zeigen. Die von uns im Herbst bereitgestellte Fotowebcam wird auch im Sommer über in Betrieb bleiben um ein paar Fotos von der Halsgrube zu bekommen.

Mit etwas Glück gelingen so ein paar hochauflösende Bilder von den neuen Bartgeiern bei ihren ersten Flugaktionen. Ein großer Dank gilt den beiden Bufdi’s vom LBV die bei Materialtransport und auch bei Montage eine riesige Hilfe waren!

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Wenn ihr weitere Fragen dazu habt, bitte eröffnet ein neues Thema. Danke!

https://forum.lbv.de/t/webcam-2022/33/36
@Ruth
Ja, die Webcam-Bilder haben dieses Jahr eine höhere Auflösung.
Beide Webcams liefern Full HD

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