@ToniWegscheider @david.schuhwerk Wie sieht die Zukunft der Geier vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe aus? Ihr Lebensraum verändert sich. Sind sie angepaßt? Nimmt die Nahrung zu oder eher ab? Bedroht die zunehmende Steinschlagefahr auch sie selber? Die steigenden Temperaturen? Ihr Lebensraum verändert sich gerade extrem und das offensichtlich auch in wesentlicher kürzerer Zeit als angenommen.
Es könnte ja z. B. sein, daß bestimmte Futtertiere stark dezimiert werden oder aussterben (bspw. Tiere mit weißem Winterfell, das unabhängig vom Schnee kommt, sind bei mangelndem Schnee für Freßfeinde ersichtlicher und könnten so verstärkt gefressen werden usw. usf. Kreislauf bis zu den Bartis.
Die stark erhöhten Temperaturen - siehe Video Sisi und Nepo hecheln, Sisi frißt Eis. Keine Kadaver mehr durch Lawinen usw.
Oder kreisen am Ende gerade nur noch die Geier, weil ggf. anspruchsloser?
10 „Gefällt mir“
Grüß dich, Melanie.
Ich möchte gleich vorweg nehmen, dass das so viele Fragen und Aspekte sind, dass es mir im Augenblick nicht möglich ist, auf alles in einem Posting einzugehen. Aber ich/wir werden sicher nach und alle Bereiche diskutieren, das verspreche ich.
Ich hoffe, dass das für dich in Ordnung ist.
11 „Gefällt mir“
Ein Aspekt, den ich als erstes aufgreifen möchte, ist der Einfluß des Klimawandels auf Krankheiten.
Trotz seiner zwangsweise robusten Natur in Bezug auf seine Nahrung und die damit einhergehenden Erreger, ist der Bartgeier durchaus anfällig für bestimmte Krankheiten. Gesicherter sind die neuen Erkenntnisse darüber natürlich vor allem für das Zuchtprogramm. Da die alpine Bartgeierpopulation aber trotz der Erfolge in den Westalpen noch nicht als gesichert gelten kann (sowohl von der Gesamtzahl, als auch der genetischen Vielfalt her) ist die Zucht auch ein Faktor für die natürliche Population.
Was sind die Faktoren dabei in Zusammenhang mit dem Klimawandel? Ein Beispiel wäre das West-Nil-Virus, dass sich durch höheren Temperaturen weiter ausbreiten wird und an dem schon Bartgeier verstorben sind.
Vor allem durch die zunehmenden Todesfälle in einigen Zuchtstationen, die in tieferen Lagen liegen und daher höheren Temperaturen ausgesetzt sind (und zuwenig Luftzirkulation besitzen) ist man hellhörig geworden. Alleine letztes Jahr verstarben 14 Tiere an Krankheiten in der Zucht. Viele davon durch Komplexkrankheiten, oft mit Beteiligung eines Pilzes namens Aspillergilose, der eine Atemwegserkrankung auslöst.
Insgesamt werden einige Zuchtststionen in zu warmen Bedingungen aufhören müssen und man muss die weitere Entwicklung (auch in Bezug auf neue Erreger sehr genau beobachten.
28 „Gefällt mir“
Im alpinen Raum nimmt der geeignete Lebensraum insgesamt eher ab. Das hat vor allem mit der Zunahme der Waldfläche durch die verbesserten Wuchsbedingungen in den höheren Lagen zu tun: die Waldgrenze wird steigen und die Bestände werden in der Summe oft dichter, zumindest so lange die Niederschläge ausreichend sind. (neben anderen Veränderungen, die aber für den Bartgeier weniger eine Rolle spielen).
Damit wird die Nahrungssuche für ihn als an alpine und offene Lebensräume angepasste Spezies dort schwieriger.
Was die Nahrung betrifft:
Generell muss man sagen, dass der Klimawandel sehr viele, an den alpinen Lebensraum angepasste Tiere, hart treffen wird.
Auch die wichtigsten Knochenlieferanten für den Bartgeier, Gams und Steinbock, betrifft das. Den Tieren wird oft zu heiss, das Immunsystem wird schwächer, durch winterliche Wärmeperioden enstehendes Eis am Boden kommen sie nicht mehr so gut an Gräser und Kräuter, die Vegetationstypen und Zeiten verändern sich ungünstig, etc.
Auch eine Abnahme von Lawinentätigkeiten in bestimmten Regionen durch die Verringerung der Schneedecke könnte ebenfalls ab einem gewissen Grad ein Faktor, gerade für den höheren Bedarf im Frühjahr, sein.
(Huftiere, die besser an wärmere oder bewaldetere Lebensräume angepasst sind, könnten dagegen häufig profitieren, also z.B. Wildschweine oder Rehe. Aber die sind dann eben nicht im optimalen Bartgeierlebensraum)
28 „Gefällt mir“
Lieber @david.schuhwerk , natürlich ist das in Ordnung. Ich habe ohnehin fast ein schlechtes Gewissen, eine Frage zu stellen, wo ihr doch so stark eingebunden seid. Vielen Dank daher für deine Antworten mit vielen neuen Aspekten. Ich finde es sehr erschreckend, daß alles so schnell geht und so offensichtlich ist. Niemals hätte ich - Kindheit in den 80ern, festgekettete Greenpeace und Aktivisten auf Booten, gehörten quasi zum täglichen Bild in den Medien - gedacht, daß ich so gravierende Veränderungen (die eigentlich noch nichts sind gegen das, was noch kommen wird) miterleben muß. Es tut mir leid, daß es auch unsere Bartis und die Flora/Fauna in ihrem Lebensraum doch so stark treffen wird. Während der Mensch (als Verursacher) sich relativ schnell an Veränderungen anpassen kann, wird es bei anderen Lebewesen länger dauern. Trotzdem werden viele von ihnen uns wohl langfristig überleben. Ich möchte trotzdem zuversichtlich sein, daß die Bartis sich ansiedeln und auch eine für sie passende Nische finden. Zumindest die Bartis aus eurem Projekt sollten noch relativ save sein, hoffe ich.
Danke für die Antwort, wirklich sehr interessant!!!
8 „Gefällt mir“